Optimismus und das Glück

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Hörfassung — gelesen von der Autorin

Wow, ist ganz schön lang geworden. Egal! Darf ich vorstellen? Das erste Familienmitglied der Positiven Psychologie: der Optimismus.

Lieber ein Optimist und ein Trottel als ein Pessimist, der Recht hat.

Albert Einstein

Sind Optimisten naive Trottel oder Weltveränderer? Und sind Pessimisten einfach bodenständig realistisch oder unglückliche Phlegmaten? Dazu sollten wir erst einmal klären, was ein Optimist und was ein Pessimist ist.


Was unterscheidet den Optimist vom Pessimist?

Optimisten und Pessimisten unterscheiden sich darin, wie sie über die Welt und über sich selbst denken.

Randgedanke: Sicher kennst du das häufig zitierte Glas, das für den Optimist halb voll und für den Pessimist halb leer ist… Ich mag ja einfache Beispiele — aber das ist mir dann doch zu banal. (Niemand hat je gesagt, was in dem Glas drin ist!) Diese Woche bin ich (als Optimistin) nämlich fast verzweifelt, dass das Glas mit dem misslungenen Frühstücks-Smoothie noch halb voll war. Bäh.

Ok, zurück zur Frage. Ein Optimist denkt anders als ein Pessimist. Sie haben also einen unterschiedlichen Denkstil, ein unterschiedliches Mindset. Wie wir denken entscheidet darüber, was wir wahrnehmen und wie wir es wahrnehmen. Lasst uns daher einfach von unterschiedlich gefärbten Brillen sprechen, durch die Optimisten und Pessimisten die Welt betrachten.

Angenommen die zwei schauen in Richtung Zukunft,…

dann erwartet der Pessimist, dass Schwierigkeiten auftreten. Der Optimist dagegen hat die Erwartung, dass es „schon gut geht“ oder er eine Lösung findet. Woran liegt das?

Welche Erwartungen wir haben, hängt davon ab, worin wir die Ursache für ein Erlebnis sehen.

Angenommen es läuft etwas nicht wie gewünscht,…

Optimist und Pessimist sind mit einem negativen Ereignis konfrontiert:

Da sagt der Pessimist: „Bei mir klappt das nie.“ oder „Ich kann nichts wirklich gut.“

Für den Pessimist liegt die Ursache für ein negatives Ereignis bei sich selbst und ist unabänderlich. Ein waschechter Pessimist generalisiert außerdem, in dem er Formulierungen verwendet wie immer, nie, ständig, alle, keiner

Ein Optimist dagegen schreibt die Ursache für ein negatives Ereignis eher vorübergehenden, ganz konkreten (spezifischen) Faktoren zu. Dingen, die nicht bei ihm selbst liegen (extern).

Der Optimist sagt also etwas wie: „Der Abgabetermin war völlig unrealistisch, deshalb konnte ich ihn nicht einhalten.“

Und wie reagieren die zwei auf positive Erlebnisse?

Wenn etwas gut läuft, reagieren Optimist und Pessimist genau umgekehrt.

Bei einem positiven Ereignis sagt der Pessimist: „Glück gehabt! Aber, dass es gut lief, hatte mit mir nichts zu tun.“ Positive Ereignisse sieht ein Pessimist also als etwas, das er nicht beeinflussen kann.

Durch die Optimismus-Brille passiert das Gegenteil. Der Optimist sagt : „Ich kann einfach gut mit Menschen umgehen.“, „Ich habe eine schnelle Auffassungsgabe.“

Erkenntnis Nr. 1

  1. Ein Optimist bezieht es auf sich selbst, wenn etwas Positives passiert.
  2. Ein Pessimist bezieht es auf sich selbst, wenn etwas Negatives passiert.

Es kann sein, dass der Pessimist genauso oft Recht hat wie der Optimist. Doch der Optimist hat definitiv mehr Spaß.

Optimismus und Glück

Gretchen Frage:

Kannst du dir denken, welche Brille glücklicher macht?

Anscheinend der Blick durch die Optimismus-Brille. Zwischen Glück und Optimismus besteht tatsächlich ein positiver Zusammenhang. Und zwar in beide Richtungen:

Erkenntnis Nr. 2

  • Glückliche Menschen finden sich selbst nett. Wer sich selbst nett findet, ist glücklicher.
  • Glückliche Menschen sind überzeugt, etwas bewirken zu können. Wer überzeugt ist, etwas bewirken zu können, ist glücklicher.
  • Glückliche Menschen sind optimistisch. Wer optimistisch ist, ist glücklicher.

Wer hingegen die Erwartung entwickelt hat, dass ohnehin etwas schief läuft, dann die Schuld nur bei sich sieht und auch noch überzeugt ist, dass er nichts Gutes bewirken kann, ist wohl kaum glücklich. Dieser Mensch fühlt sich hilflos.

Erlernte Hilflosigkeit

Was mit uns passiert, wird zu einem gewissen Grad dadurch bestimmt, was wir erwarten.

Tatsächlich nennt man diese Art des pessimistischen Denkens erlernte Hilflosigkeit. Die Person gelangt zu der Überzeugung, dass ein Unglück eintreffen wird und sie rein gar nichts dagegen tun kann. Erlernte Hilflosigkeit macht früher oder später passiv und ist der perfekte Nährboden für Ängste und Depressionen. Erlernte Hilflosigkeit verschlimmtert anscheinend sogar körperliche Erkankungen. Harter Toback.

Hilfe, ich bin ein Pessimist. Komm ich da raus?!

Der Pessimist schneidet bis jetzt ganz schön schlecht ab, was? Dabei sind wir gar nicht entweder Optimist oder Pessimist. Eigentlich sind wir viele – in diesem Fall mindestens zwei: in uns wohnt ein Optimist und in uns wohnt ein Pessimist.

Selbst der größte Optimist braucht manchmal einen gesunden Pessimismus, um sich mit sich selbst auseinandersetzen zu können. Ein „blinder“ Optimist würde nämlich nicht aus seinen Fehlern lernen. Stattdessen würde er seine Fehler (zwar begeistert, aber) immer wieder aufs Neue wiederholen.

Im Gegenzug handelt selbst aus einem erklärten Pessimisten manchmal der Optimist. Sonst blieben wohl alle Pessimisten unverheiratet, kinderlos oder einfach morgens im Bett. Der innere Optimist sorgt dafür, dass wir etwas beginnen, etwas anpacken und uns auf etwas Neues einlassen.

Optimistischer Pessimist oder pessimistischer Optimist?

Ob bei dir der Optimist schneller reagiert oder eher der Pessimist, das hängt davon ab, welcher der beiden in der Vergangenheit mehr Aufmerksamkeit bekam.

Zugegeben, etwa 20-30 % davon sind Veranlagung. Doch der Großteil ist erlernt und erlernbar.

Dein bisheriger Denkstil ist gut trainiert. Denn die Basics bringst du aus deiner Kindheit mit. Die Denkmuster aus deiner Kindheit und Jugend sind die, die du am längsten hast, und die daher wahrscheinlich am besten geübt sind. Wie ein Profi-Basketballer nicht mehr übers Dribbling nachdenkt, muss dein Verstand nicht mehr bewusst den Denkstil wählen. Bewertungen, Erwartungen und Ursachenzuschreibung (Attribution) passieren ganz unwillkürlich, automatisiert.

Selbst wenn dein innerer Pessimist bisher besser trainiert wurde, kannst du dein optimistisches Handlungsrepertoire erweitern: indem du bewusst darauf achtest, welchen Dingen du deine Aufmerksamkeit schenkst.

Vorhin mitgerechnet? 70-80 % sind erlernbar. Egal, wie alt du bist. Das ist doch eine gute Nachricht: es gibt erlernten Optimismus.

Lernbarer Optimismus

„Erlernbarer“ Optimismus ist inzwischen wissenschaftlich gut untersucht. Selbst Menschen, die von Natur aus eher pessimistisch sind, fühlen sich glücklicher, wenn sie u.a. eine der folgenden Aufgaben durchführten:

  • Eine Woche lang so viel wie möglich über die größten Erfolge in ihrer Vergangenheit aufschreiben. Oder täglich etwas über ihre Stärken und Fähigkeiten.
  • Dankbarkeit gegenüber jemandem zeigen, bei dem man sich noch nie richtig bedankt hat.
  • Eine Woche lang täglich 3 gute Dinge aufschreiben, die einem passiert sind.

Seligman (2002) konnte zeigen, dass die Teilnehmer sich noch 6 Monate später glücklicher fühlten, auch wenn sie eine der Aufgaben nur eine Woche lang gemacht hatten. Wie genial ist das denn?!

Erkenntnis Nr. 3

Wenn du dich häufiger in negativen Gedanken verlierst, kann es dir helfen, dich im Alltag öfter mal auf die gut laufenden Dinge zu konzentrieren. Denn die passieren nicht von allein — man selbst hat einen Anteil daran, dass etwas funktioniert.

Und abschließend eine Wohltat für beide Denkstile: Achtsamkeit und das Nicht-Bewerten. Das bedeutet, die Dinge zu sehen, wie sie sind, weder gut, noch schlecht. Befreit von Bewertungen. Kann ganz schön befreiend sein.

In diesem Sinne, ein befreites Wochenende!

Fragen dazu? Schreib einfach in die Kommentare – freu mich!

Literatur:
Seligman, M. E. P. (2002). Authentic happiness. New York: Free Press.
Seligman, M. E. P., Steen, T. A., Park, N. & Peterson, C. (2005). Positive Psychology Progress. Empirical validation of interventions. American Psychologist, 60 (5), 410-421.